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Der fairste Linienrichter der Welt

SPORTLER IM EHRENAMT: Horst Schmukat vom VfR Wellensiek

VON CARSTEN BLUMENSTEIN

Bielefeld. Der Aufstieg des VfR Wellensiek in die Fußball-Landesliga dürfte Horst Schmukat eigentlich gar nicht schmecken. Als Vereinslinienrichter hat er in den vergangenen drei Jahren alle Heim- und Auswärtspartien des VfR in der Bezirksliga begleitet, eine Klasse höher ist er seinen Job los. Denn da gibt es offizielle Schiedsrichter-Gespanne. Doch der 76-Jährige hat damit keine Probleme. „Ach was, ich bin nicht traurig. Es gibt nicht nur Fußball im Leben“, sagt Schmukat.

Dazu muss man sagen, dass Horst Schmukat der fairste Linienrichter der Welt ist. Im Zweifelsfall hat er immer gegen die eigene Mannschaft entschieden. Oft zum Leidwesen von Trainer Rolf „Pico“ Fritz. Doch der Ältere hat seine Meinung immer konsequent durchgezogen.

Schmukat ist ein Ur-Wellensieker, gebürtig kommt er aber aus Ostpreußen. Im kalten Winter 1945 floh die Familie über die Ostsee nach Lüchow-Dannenberg in Niedersachsen. „Wir hatten Karten für das Passagierschiff Wilhelm Gustloff“, erklärt Schmukat. „Aber Gott sei dank war das Schiff bereits überfüllt, so dass meine Mutter und meine Großeltern sich andere Wege gesucht haben.“ Die Gustloff sank im Januar 1945, mehr als 9.000 Opfer waren zu beklagen.

Nach der Schulausbildung kam der 16-jährige Schmukat nach Bielefeld, um den Beruf des Malers zu lernen – und um Fußball zu spielen. Als Jugendlicher schloss er sich dem VfR an, spielte in der A-Jugend gleich eine gute Rolle. „Ich war Läufer und Halbstürmer“, sagt das Wellensieker Original. „Ich wurde sogar in die Westfalenauswahl berufen. Ich musste aber aus Arbeitsgründen absagen.“

In den Folgejahren spielte Schmukat bei den Herren des VfR und trainierte gleichzeitig Jugendteams. „Mit 29 Jahren habe ich in Kaiserau die B-Lizenz gemacht“, sagt er. Der bekannteste Spieler im Lehrgang war damals Günter „Oscar“ Siebert, der 1958 mit Schalke 04 Deutscher Meister wurde und später Präsident der Königsblauen werden sollte.

Schmukat coachte den VfR in der Bezirksliga zwei Jahre, es folgten die Wanderjahre des Ostpreußen. Beim TSV Amshausen, TuS Ahmsen und SC Halle (Aufstieg in die Bezirksliga) feierte er einige Erfolge, bevor er wieder nach Wellensiek an den Rottmannshof zurückkehrte. Mit dem Fußballspielen begonnen hatte Schmukat beim VfR auf den Sportplätzen in Olderdissen, am Brodhagen oder auf dem sogenannten 08/15- Platz an der Jöllenbecker Straße. „Der Schlackeplatz am Rottmannshof wurde erst 1960 und 1961 gebaut“, sagt der Mann, der seit 50 Jahren in der Straße Wellensiek wohnt.

Einer der in frühen Jahren bereits Kontakt mit Horst Schmukat hatte, ist der aktuelle (und gefühlt schon ewige) Trainer. „Horst war mein Trainer bei den D-Junioren, da war ich elf Jahre alt. Er war ein richtiger Taktikfuchs“, erzählt „Pico“ Fritz. Später sind die beiden sich als Gegner begegnet: Als Fritz 1987 den VfR als Coach in die Landesliga führte, war Schmukat Trainer beim TSV Amshausen, der in der Bezirksliga auf dem zweiten Platz einkam. „Wir waren Rivalen, aber im freundschaftlichen Sinne“, so Pico Fritz. Mit einem Auge beobachtet Schmukat auch das Geschehen beim 1. FC Kaiserslautern. Seit den 1950er-Jahren ist der Fan der Roten Teufel, mit den 54er-Weltmeistern Werner Liebrich, Ottmar Walter und Horst Eckel hatte er sogar persönlichen Kontakt. „Der Fußball hat sich seitdem sehr stark verändert“, ärgert sich Schmukat heute über zu viel Geschäftemacherei. „Sport und Politik sind auf großer Ebene für mich ganz schrecklich geworden.“ Fußball ist für Schmukat daher nicht alles im Leben. „Ich bin ein Naturmensch“, sagt der 76-Jährige. „Ich nutze jede Gelegenheit, um zu Fuß, mit dem Fahrrad oder auch mit Bus oder Bahn ins Grüne zu fahren.“ Die Spiele des VfR in der Landesliga wird er sich aber weiterhin gerne anschauen, die Aufgabe als Linienrichter werden aber demnächst andere für ihn machen. Schmukat hofft auf Fairness, aber bei der hohen Messlatte, die er angelegt hat, wird es schwer werden, noch einen faireren Linienrichter zu finden.

Nächste Folge: Samstag, 10. August: Heinz-Jürgen Quest vom TuS Jöllenbeck.

Bisher erschienen: Rüdiger Schneiker (ESV), Carsten Schmidt (TuS Ost) und Günter Mirus (BSKC).

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03 - Bielefeld Süd, Mittwoch 07. August 2013