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„Wir kämpfen um jedes Kind“

FUSSBALL: Kreis möchte beim Nachwuchs besonders den Spaß am Spiel fördern

VON MATTHIAS FOEDE

Bielefeld. Jetzt erwischt es auch den Fußball. Der demographische Wandel hat sich in den zurückliegenden Jahren stiekum angeschlichen wie ein Kind, das Kekse vom Küchentisch stibitzen will, nun jedoch werden die Auswirkungen sichtbar und spürbar. Der Fußballkreis Bielefeld verzeichnet im laufenden Jahr rund 30 Jugendmannschaften weniger.

„Dagegen müssen wir etwas tun, weil sich diese Tendenz fortsetzen wird. Mit Ausnahme von den Bielefelder Hochburgen TuS Eintracht, VfR Wellensiek oder VfL Theesen werden besonders die kleinen Vereine richtig zu knapsen haben. Aber wir werden um jedes Kind kämpfen“, sagt Hans Keuch. Der Vorsitzende des Kreisjugend-Ausschusses verweist auf Probleme beim TuS Quelle, der aus Mangel an Nachwuchs aktuell keine A-Jugend stellen kann, oder auf den FC Altenhagen, dem ein Großteil seiner Jugend flöten gegangen ist und der deshalb gleich mehrere Teams vom Spielbetrieb zurückziehen musste.

Die Gründe für die Abwanderungstendenzen sind vielschichtig. „Der offene Ganztag macht uns zu schaffen“, sagt Keuch: „Die meisten Vereine haben noch nicht begriffen, dass sie auf die Schulen zugehen müssen.“ Er höre in seinem Verein, dem VfL Ummeln, immer öfter, dass „mein Kind nicht mehr kommen kann, weil es lange in der Schule ist oder noch lernen muss“. Außerdem, so Keuch, machten andere Freizeitmöglichkeiten ständig mehr Konkurrenz. „Bei schlechtem Wetter gewinnt immer öfter die Playstation“, ärgert er sich. Noch mehr bringt ihn auf die Palme, wenn Eltern ihre Sprösslinge vom Training abmelden, „weil sie sich im Winter draußen einen Schnupfen holen könnten“.

Ferner hat der Fußball nicht nur in den höheren Seniorenklassen, sondern auch schon bei den Kleinsten ein Problem mit bisweilen pöbelnden Eltern, ausflippenden Trainern und randalierenden Zuschauern, was zu einer negativen Außendarstellung führt. Obwohl die schlimmsten Ereignisse schon einige Monate zurückliegen, muss sich zurzeit wieder einmal ein E-Jugend-Trainer vor der Spruchkammer verantworten, weil er während einer Partie (Spielstand: 7:1!) quer über das Feld wetzte und Selbstjustiz an Spielern üben wollte.

Keuch und seine Mitstreiter setzten jetzt bei den Jüngsten an und initiierten die so genannten „Fairplay-Ligen“. Bis 2015 soll demnach in den Altersklassen G-, F- und E-Junioren ein Umfeld rund um eine Jugendpartie geschaffen werden, bei dem der Spaß am Spiel sowie der Respekt untereinander die Hauptrolle spielen. „Das Ergebnis kommt bewusst erst an zweiter oder dritter Stelle“, ordnet Keuch ein. Auffälligstes Merkmal wird sein, dass die Kids ohne Schiedsrichter, sondern nur noch mit Spielbegleitern kicken sollen, die lediglich auf die elementaren Regeln wie „Aus“, „Foul“, „Tor“ oder „Anstoß“ achten. Den Rest sollen die Krümel selbstständig regeln. Die Wissenschaft spricht hier von der „allgemeinen Spielfähigkeit“, Keuch meint: „Als die meisten Kinder das Fußballspielen noch auf der Straße oder in einem Hinterhof gelernt haben, mussten sie auch alleine klarkommen.“

Deshalb, so Keuch, „testen wir dieses Verfahren zunächst bei den G-Junioren und erweitern es dann Jahr für Jahr auf die älteren Jahrgänge bis zu den E-Junioren“. Den zumeist überehrgeizigen Eltern legt der Kreis nahe: „Zugucken und anfeuern? – ja bitte! Meckern und beschimpfen? – nein danke!“ Um diese Initiative, die vor fünf Jahren im Kreis Aachen ins Leben gerufen wurde, bis an die Basis tragen zu können, hat der Kreisjugend-Ausschuss 2.500 Flyer und 200 Plakate drucken lassen, die er nun an die Vereine verteilen wird.

Auch die Spielführerschulungen für die älteren Jugendlichen in den zurückliegenden Herbstferien sowie die Jugendleiter-Arbeitstagung zum Thema „Gewaltprävention“ im kommenden Jahr zielen darauf ab, Fairness und Sportsgeist unter allen Beteiligten zu etablieren. „Dafür können wir nicht genug tun“, betont Keuch.
Für Fairplay: Hans Keuch, Jessica Hilger und Thorsten Kranz (von links) vom Kreisjugend-Ausschuss mit den neuen Flyern und Plakaten der Kampagne. FOTO: FOEDE

© 2012 Neue Westfälische
01 - Bielefeld West, Donnerstag 29. November 2012